Der Kanzlerkandidatenschreck
Mal demonstrieren der Bayerische CSU-Ministerpräsident und der CDU-Kanzlerkandidat Geschlossenheit, mal treibt Markus Söder Friedrich Merz vor sich her. Was sind Söders Absichten?
Von Prof. Dr. Markus Karp
Das Scheitern Armin Laschets als Kanzlerkandidat wird in der Rückschau oft auf einen Heiterkeitsausbruch zur Unzeit reduziert. In der Tat, die pietätlosen Lachsalven waren der Verwirklichung seiner Ambitionen abträglicher als jeder Wirkungstreffer von Olaf Scholz. Aber es darf darüber nicht vergessen werden, dass Laschet noch eine Bürde ganz anderer Art als seine Frohnatur mit sich trug: nämlich den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. Der Franke hatte sich mit Laschet ein knallhartes Duell um die Kandidatenrolle geliefert, dessen gesamten Wahlkampf mit allerlei boshaften Spitzen begleitet und schlussendlich den Mann aus Aachen zum Wahlverlierer erklärt, was die kleine Hoffnung auf den Einzug ins Kanzleramt mit einer Jamaikakoalition endgültig zunichtemachte.
Drei Jahre später ist die Situation nicht unähnlich: Söder ist wieder nicht christdemokratischer Kanzlerkandidat, obwohl seine Beliebtheitswerte deutlich besser sind als die von Friedrich Merz und er diesen an politischer Erfahrung locker übertrumpft. Auch ansonsten ist der Kontrast zwischen den beiden augenfällig: Der Mann aus dem Sauerland tritt gern einmal ins Fettnäpfchen und wirkt häufig hölzern, der süddeutsche Medienprofi hingegen beherrscht das Kunststück, fortwährend in jeder Art von Format präsent zu sein, ohne sich jemals zu blamieren oder entschuldigen zu müssen. Selbst beim Vortrag norddeutscher Seemannslieder gelingt es ihm, eine gute Figur zu machen.
Dementsprechend dürften Friedrich Merz und seine Getreuen sowie jene in der CDU, welche dem Machtpolitiker aus dem Süden die verpatzte Bundestagswahl 2021 zumindest teilweise anlasten, die bange Frage umtreiben, welche Absichten der omnipräsente bayerische Ministerpräsident diesmal hat. Was plant Söder, der Kanzlerkandidatenschreck der Union?
Spekulationen darüber sind naturgemäß schwierig. Bereits die alte CSU-Größe Horst Seehofer hatte sich die böse Schmähbezeichnung vom „Drehhofer“ eingefangen. Sein Nachfolger steht ihm in Sachen Sinneswandel nicht nach, hat jedoch das Glück, dass sich eine vergleichbare Verballhornung seines Namens nicht aufdrängt. Markus Söder ist immer für eine überraschende Volte gut, seine Strategie hält er gut verborgen, seine Taktiken wechseln, bisweilen in schneller Folge.
Diese Söder’schen Verhaltensmuster werden oft gegeißelt, gleichwohl tut die allein negative Deutung ihnen unrecht. Der CSU-Chef ist Volkstribun im besten Sinne. Er repräsentiert Stimmungen und Stimmungsschwankungen im Volk, trottet aber nicht den Trends unter der Berliner Käseglocke oder auf X hinterher. Er spielt bisweilen va banque, geht ins Risiko. Das macht ihn zu einem homo politicus, wie er unter der Lupe der digitalen Öffentlichkeit mit ihrem ewigen Gedächtnis kaum noch in Spitzenämter gelangt. Merz dagegen ist ein Zauderer und Zurückruderer, der einen Gutteil seiner Öffentlichkeitsarbeit mit dem Relativieren und Rechtfertigen früherer Aussagen und Positionen zubringen muss. Fraglos kreist ein beträchtlicher Teil seiner politischen Ängste um den stets möglichen nächsten Donnerschlag aus München.
Besonders gern treibt Markus Söder derzeit den Kanzlerkandidaten von der CDU in Koalitionsfragen vor sich her. Hatte er Friedrich Merz schon vor wenigen Wochen in den Senkel gestellt, weil dieser sich zur besten Sendezeit über die künftige Rolle des glücklosen Wirtschaftsministers Robert Habeck in seinem Kabinett Gedanken machte, gab er kurz vor Silvester nun sogar der BILD-Zeitung auf die Frage, ob er sein Wort gebe, dass die CSU keinen Koalitionsvertrag mit den Grünen unterschreibe, die Antwort: „Da bin ich ganz felsenfest klar.“ Eine Ohrfeige für den Kanzlerkandidaten der Union, der sich schon um der Verhandlungsmasse willen unbedingt die schwarz-grüne Option offenhalten will, dem aber offensichtlich die Autorität dafür fehlt.
Nebulös dagegen bleiben Söders Intentionen. Dass es sich in einer sogenannten großen Koalition mit einer kräftig gerupften SPD besser christdemokratisch regieren ließe, wird er nicht glauben. Reichte es dafür nicht, käme auch eine Deutschlandkoalition mit dem zusätzlichen Koalitionspartner FDP in Betracht. Das Verhältnis von CSU und FDP ist jedoch schlecht. Weitere Möglichkeiten gäbe es nicht. Die Verengung auf die SPD ergibt wenig Sinn, weil die tiefgreifenden Reformen, über deren Notwendigkeit sich Söder und Merz einig sind, so nahezu unmöglich werden. Die SPD wird nicht für die Teilhabe an der Macht, noch dazu als Juniorpartner, ihre politischen Kernanliegen und ihr jüngstes politisches Erbe zur Disposition stellen. Ob Energie, Verteidigung, Sozialstaat, Migration, Besteuerung – überall drohen Blockaden und Gräben, welche sich nur mit Formelkompromissen zuschütten ließen. Dass aus dieser Kombination etwas entsteht, dass die untergegangene Ampelregierung an Tatkraft und Ansehen deutlich überstrahlt, ist faktisch ausgeschlossen. Merz‘ Ansatz, die Tür für die Grünen in dieser Situation offen zu lassen, um sie im Zweifelsfall gegen deren alte Partner von der SPD und der FDP ausspielen zu können und so in Koalitionsverhandlungen mehr herausholen zu können, ist deshalb plausibel. Was nützt es der Union, vielleicht ein paar Prozentpunkte mehr herauszuholen, sich aber danach in einer ampelgleichen Regierung des Grauens als Volkspartei endgültig zu verschleißen, weil kaum je ein konservativer Programmpunkt zur Umsetzung gelangt.
Möglich ist es, dass Markus Söder die Landespolitik im Blick hat. Die Grünen auszuschließen, verbessert auf jeden Fall das Bundestagswahlergebnis in Bayern und hält die Rivalen von den Freien Wählern auf Abstand. In der nächsten bayerischen Landtagswahl als großer Gegenspieler einer lausigen Bundesregierung aufzutreten, wie es bei der letzten erfolgreich war, kann nichts schaden. Daran, dass der Kandidat der CSU dann wieder Söder heißen könnte, zweifelt nahezu niemand. Von der Zehn-Jahres-Begrenzung für die Amtszeit des Ministerpräsidenten, die der Franke einst selbst vorgeschlagen hat, ist er mit Verweis darauf, dass die Opposition ja keine entsprechende Verfassungsänderung gewollt habe, geschmeidig wieder abgerückt.
Vielleicht hegt der gegenwärtige bayerische Ministerpräsident aber auch seine eigenen bundespolitischen Ambitionen: Schon das Scheitern Laschets hat ihn als ernstzunehmenden Reservekanzler im Spiel gehalten. Sogar Friedrich Merz wird es zwar schwerfallen, angesichts der chronischen Schwäche der SPD den Wahlsieg zu verstolpern. Wenn jedoch aus den turmhohen Umfragewerten ein ernüchterndes Ergebnis würde, ein Szenario, dass der Sauerländer bereits von 2005 her kennen dürfte? Oder wenn sich seine Kanzlerschaft so dahinquält, wie jene von Olaf Scholz, ohne indes den Bonus des anfänglichen Zaubers der „Fortschrittskoalition“ zu genießen? Immerhin zöge Merz als von Anfang an unbeliebte Spitze eines nur mäßig populären Regierungsbündnisses ins Kanzleramt ein. Welche personellen Alternativen blieben der Union dann noch, die bundesweite Zugkraft besäßen und die es mit den dann absehbar bärenstarken Populisten aufnehmen könnten?
So oder so, Merz wird es schaden, dass er im Wahlkampf nach Söders Pfeife tanzen muss, dem CSU-Mann hingegen nützen. Als Kanzlerkandidatenanwärter mag er (ausschließlich) wegen des mangelnden Gewichts der kleineren Schwesterpartei in der Union den Kürzeren gezogen haben. Seine Dominanz des christdemokratischen Wahlkampfs aber wird ihm künftig erheblich zum Vorteil gereichen.
Der Autor Markus Karp ist an der Technischen Hochschule Wildau Professor für Public Management und Staatssekretär a. D.
Nr. 271 vom 14. Januar 2025, Seite 4
Veranstaltungen im mach|werk
Es geht um mehr. Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl 2025
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Kopf & Kragen mit Tobias Morgenstern
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Kaffeekränzchen mit dem Duo MusicalLove
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
be-swingt trifft auf Brigitte Oelke
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Mardi Gras Night: Zum Karneval in New Orleans
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
The Creole Madcats – PREMIERE
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Kopf & Kragen mit Dr. Lydia Hüskens
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Frauentagsparty – Vorsicht Weiber!
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Kaffeekränzchen mit Manuel Richter
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Quotime
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Stephan Michme Nackt!
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg
Stephan Michme Nackt!
mach|werk - KOMPAKT Medienzentrum
Breiter Weg 114a, 39104 Magdeburg