Vieles noch im vagen

Der 1. FC Magdeburg startet in seine dritte Zweitliga-Spielzeit. Saisonziel nach unten korrigiert: Klassenerhalt steht über allem. Von Rudi Bartlitz

Alte Fußball-Regel: Das erste Jahr nach einem Aufstieg ist für jedes Team schwer. Darin sind sich alle Auguren ausnahmsweise (fast) einig. Bange Überlegungen machen da, im Team wie bei Fans, die Runde: Wie packen wir das Neue? Reicht unsere Qualität? Können wir die Klasse halten? Das zweite Jahr, sagt eine andere alte Kicker-Weisheit, sei allen Erfahrungen zufolge noch schwerer. Da gelte, alles bisher Gezeigte zu bestätigen, zu zeigen, dass der Aufstieg keine Eintagsfliege war. Jetzt komme es auf Konstanz an. Und das dritte Jahr? Sind dann alle Sorgen weg? Worum geht es nun?  Genau diese Fragen bewegen den 1. FC Magdeburg vor dem Start in die Anfang August beginnende neue Zweitligasaison.


Exakt scheint die Antwort keiner zu kennen, nicht einmal Sportgeschäftsführer Otmar Schork oder Cheftrainer Christian Titz. Auf der Eröffnungspressekonferenz blieb jedenfalls vieles noch im vagen. Zwar sei man mit den bisherigen sechs Zugängen zufrieden, unterstrich Titz. Sie verkörpern Titz zufolge das, was er sich „gewünscht“ habe. Schork attestiert, man sei „gut aufgestellt”. Die größten Hoffnungen liegen dabei wohl vor allem auf Angreifer Mathijs Kaars, der aus der zweiten niederländischen Liga (Helmond Sport) kommt. Für ihn soll der FCM dortigen Quellen zufolge 800.000 Euro lockergemacht haben, vom Verein gibt es dazu keine Angaben. Kaars soll die Ladehemmungen, die in der letzten Saison vorn herrschten, überwinden helfen.


Es lässt sich nun sicher viel von Demut und Bescheidenheit sprechen, aber so rechte Zuversicht, dass dies die Top-Mannschaft für die neue Saison ist, ließ sich nur schwerlich herauslesen. Zumal Schork ankündigte, dass „der Kader noch nicht endgültig“ sei. Mit zwei, drei Zugängen könne noch gerechnet werden, das betreffe alle Mannschaftsteile. Dazu seien in der Kasse auch noch Mittel vorhanden.


Bei der Frage nach den Saisonzielen kam man hingegen kaum über ein Mindestprogramm hinaus. „Wir wollen auch 25/26 weiter in der zweiten Liga spielen“, sagte Schork. Bereits vor einem Monat hatte er sich vom einstigen Zielpunkt einer „sorgenfreien Weiterentwicklung“ verabschiedet. Frei übersetzt: Während sich viele Fans, so war in den letzten Tagen zu vernehmen, eine Platzierung irgendwo zwischen Rang acht und zehn erhoffen, steht der Klassenerhalt für die Verantwortlichen wohl über allem. Es fiel auf, dass Titz sich bei den Zielen jeglichen Kommentars enthielt. Ob hinter allem die Einsicht steckt, dass diese Mannschaft womöglich nicht besser ist, als sie in der zurückliegenden Saison spielte, bleibt offen. Oder es fällt schwer, sich dies einzugestehen. So wie es derzeit aussieht, gleicht vieles noch einer Baustelle, ein Team under construction sozusagen.


Dabei waren die Defizite in der Vergangenheit nicht zu übersehen. Sie lagen, wie schon angedeutet, vor allem in der Offensive. Das räumte Titz im Rückblick auf 2023/24 auch ein. Dort will er jetzt vor allem ansetzen. Es gelte mehr Torchancen herauszuspielen, sich „in der Endzone zu verbessern“. Über die Themen Taktik und künftige Spielweise war in der Pressekonferenz hingegen wenig Erhellendes zu hören. Über das Mittelfeld, wie auch immer dies künftig aussieht, fiel kein Wort. Oft war es in der Vergangenheit doch so: Wenn sich das FCM-Spiel vom eigenen Tor entfernte, irgendwo hin in die im modernen Fußball so wichtigen Gefilde zwischen Strafraum und Mittellinie, ließ sich in der Mehrheit der Fälle der weitere Verlauf voraussehen. Entweder es wurden horizontale (Ali- bi-)Pässe gespielt, oder eine angedachte Kombination scheiterte nicht selten an der zweiten, dritten Station. Da war selten jemand auszumachen, der das Geschehen an sich zieht, dem Spiel durch ungewöhnliche Aktionen Impulse gibt. Wer das künftig sein sollte, Fragezeichen. Von den bisher bekannten Zugängen und deren Vita will man dies jedenfalls von vornherein keinem so recht zutrauen.


Es dürfte also auf der Hand liegen, dass der FCM in der neuen Spielzeit seinen größten Trumpf weiterhin in der mannschaftlichen Stärke sieht. Stichworte: Geschlossenheit, Harmonie, Automatismen, Kampfgeist. Denn in der individuellen Stärke rangieren die Sachsen-Anhalter, legt man die Marktwerte der vom Portal transfermarkt.de ermittelten Zahlen zugrunde, in der neuen 2. Liga auf Platz 14 (16,7 Millionen jetzt, zuvor 17,18). Dieser Rang ist zufälligerweise identisch mit der Platzierung in der Abschlusstabelle. In einer „Einzelwertung“ ist kein (!) Magdeburger unter den Top 100 zu finden. Als wertvollste Akteure aus dem jetzigen Kader werden Bryan Teixeira – bei dessen Leihe von Sturm Graz die Zeichen auf Verlängerung stehen – und Silas Gnaka mit je 1,2 Millionen Euro geführt. Spitzenreiter ist der Ex-Nürnberger Mittelfeld-Star Can Uzun (12 Millionen Euro).


Bei aller eventuellen Skepsis, in einem sind sich die Anhänger einig: Es soll in der neuen Saison nie der Fall eintreten, dass in der Stadt plötzlich keine Kerzen mehr vorrätig sind. Weil die Fans alle aufgekauft haben – und sie anschließend im Dom stehen.

Nr. 258 vom 26. Juni 2024, Seite 33

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